4-2019
Wir freuen uns, Ihnen zum Jahreswechsel die Ausgabe 4/2019 vorlegen zu k?nnen. Dabei handelt es sich um die Zusammenfassung von Beitr?gen, die im Rahmen des Forschungs- und Praxisverbunds Inklusion an Hochschulen f?r ein barrierefreies Bayern verfasst wurden. Insgesamt waren die Universit?ten Bayreuth und W?rzburg sowie die Hochschulen f?r angewandte Wissenschaften Ansbach, Deggendorf, Landshut und M?nchen beteiligt. Ziel des Forschungs- und Praxisverbunds war es, Prozesse, die durch die Hochschulen angesto?en wurden, zusammen zu f?hren und wissenschaftlich zu begleiten. Dabei sollten inklusionsorientierte Forschungsans?tze vorangetrieben, neue Lehrformen entwickelt, Netzwerke gebildet und Handlungsempfehlungen formuliert werden. Von den Impulsen sollte neben ihrer Bedeutung f?r das Handlungsfeld Hochschule auch eine Signalwirkung f?r ein barrierefreieres Bayern ausgehen. Der Forschungs- und Praxisverbund steht im Kontext der Initiative Bayern barrierefrei 2023 und der Verabschiedung des Konzepts ?Inklusive Hochschule? durch die bayerische Staatsregierung im Jahre 2012. Bez?glich der Gestaltung eines barrierefreien Studien- und Arbeitsumfelds im Hochschulbereich bestehen weiterhin vielf?ltige Handlungsbedarfe. Die Herausforderungen, denen sich bayerische Bildungs- und Kultureinrichtungen in diesem Zusammenhang stellen m?ssen, sind nach wie vor gro?, und sie betreffen nicht nur baulich-architektonische Fragen, sondern beispielsweise auch didaktische Aspekte der Lehre und der Studienorganisation.
??ffentliche R?ume vermitteln Wissen, Kompetenz, Sinn, Gemeinschaft und Gesellschaft - diese Inhalte m?ssen barrierefrei, also f?r alle zug?nglich und inklusiv sein. Unter diesem Paradigma, welches ?ffentlichen Raum nicht allein als bauliche Struktur versteht, sondern als Raum f?r Austausch, Studium, Lernen und Begegnung, soll im Forschungs- und Praxisverbund ?Inklusive Hochschule und barrierefreies Bayern? erforscht und erprobt werden, wie inklusive Hochschulbildung, kulturelles Leben und aktive Teilhabe selbstverst?ndlich werden. Accessability im Sinne eines barrierefreien Bayern mit f?r alle zug?nglichen Bildungs- und Kultureinrichtungen kann nur Wirklichkeit werden, wenn die vorhandenen Expertisen und Kompetenzen an den bayerischen Universit?ten und Hochschulen f?r angewandte Wissenschaften systematisch zusammengef?hrt, ausgebaut und st?rker in die Praxis ?berf?hrt werden. Genau dies strebt der Forschungs- und Praxisverbund ?Inklusion an Hochschulen und barrierefreies Bayern? an. Die Aktivit?ten des Verbundes umfassen die anwendungsnahe Forschung ebenso wie die Implementierungen der Ergebnisse; sie zielen auf die Verbesserung der Studiensituation wie der baulichen Gegebenheiten, bilden Fachkr?fte aus und bieten Entw?rfe f?r eine inklusive Studien- und Lebenswelt.? (M?lter, Sandra, In: Gemeinsam Leben 4/2019, 206f)
Aufgrund ihrer Expertise waren die Beteiligten am Projektverbund in der Lage, zentrale Forschungsfragen interdisziplin?r anzugehen. So haben sich die Forschungsarbeiten an der Universit?t W?rzburg den Gelingensbedingungen inklusiver Hochschulbildung und den Gelingensbedingungen der Arbeit der ?rtlichen Schwerbehindertenvertretungen im Bereich Wissenschaft und Kunst sowie Unterricht und Kultus der beiden jeweiligen Bayerischen Staatsministerien gewidmet, w?hrend an der Hochschule Landshut die Erfahrungen geh?rloser Menschen im akademischen Betrieb erkundet wurden. Die Universit?t Bayreuth weitete die Perspektive ?ber Hochschulen hinaus auf die Zug?nglichkeit von Kultureinrichtungen. An der Hochschule Ansbach wird ein barrierefreies multimediales Leitsystem entwickelt, das nicht nur an Hochschulen, sondern auch f?r andere ?ffentliche Geb?ude genutzt werden kann. Um die Fachkr?fte von morgen f?r Fragen der Barrierefreiheit und Inklusion zu sensibilisieren, entwickelte die Fakult?t f?r Architektur der Hochschule M?nchen ein Format zu Grundlagen der Inklusion f?r ihr Lehrangebot.
Die Projekte setzten sich ebenfalls als Ziel, aus praktischen Erfahrungen und Forschungsergebnissen gespeiste Empfehlungen und Leitlinien zu entwickeln.
All dies konnte und sollte nicht ohne den Einbezug von Menschen, die sich als behindert adressiert sehen, geschehen. Deshalb wurden Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen im Verbundprojekt von Anfang an in den Forschungsprozess und die Entwicklung der Handlungsempfehlungen eingebunden.
Der Forschungs- und Praxisverbund ?Inklusion an Hochschulen und barrierefreies Bayern? wurde an der Julius-Maximilians-Universit?t W?rzburg durch die Kontakt- und Informationsstelle f?r Studierende mit Behinderung und chronischer Erkrankung (KIS) koordiniert.
Olaf Hoos, Julia Loose und Laura B?nner (W?rzburg) fokussieren die Identifizierung zentraler Gelingensbedingungen inklusiver Hochschulbildung f?r Studierende mit Behinderung und chronischer Erkrankung in Bayern. Hierzu wurden anhand eines Mixed-Methods-Ansatzes themenspezifisches Wissen und Einstellungen von Lehrenden sowie Beauftragten an bayerischen Hochschulen mittels problemzentrierter Interviews sowie einer validierten ?bersetzung eines themenspezifischen internationalen Befragungsinstruments erhoben.
Im Rahmen eines 2. Teilprojekts in W?rzburg besch?ftigte sich Bernd M?lter im seinem Beitrag mit dem Einfluss von Vorkenntnissen auf die Arbeit von Schwerbehindertenvertretungen in Bayern. Au?erdem widmete man sich der Qualifizierung der ?rtlichen Schwerbehindertenvertretungen in den Bereichen ?Wissenschaft und Kunst? sowie ?Unterricht und Kultus? durch Weiterbildungen zu inklusionsspezifischen Themen mit dem Ziel die ?rtlichen Schwerbehindertenvertretung in den entsprechenden Bereich besser zu vernetzen, die Besch?ftigtenquote schwerbehinderter Menschen im Wissenschaftsressort durch bessere Kompetenz der ?rtlichen Schwerbehindertenvertretungen zu erh?hen und die Beratung und Unterst?tzung der Dienststellen in Schwerbehindertenfragen durch kompetente Schwerbehindertenvertretungen zu verbessern.
Katharina Fink vom Team BayFink (Bayerische Forschungs- und Informationsstelle Inklusive Hochschulen und Kultureinrichtungen) befasste sich mit der barrierefreien Zug?nglichkeit von Kultureinrichtungen. Der Ort f?r das explorative Arbeiten ist das Iwalewahaus, ein Ort der Produktion und Pr?sentation diskursorientierter, zeitgen?ssischer Kunst. Durch Ausstellungen, universit?re Forschung und Lehre, Sammlungen, Archiv, K?nstlerresidenzen und Veranstaltungen wurden die j?ngsten Entwicklungen in der zeitgen?ssischen Kultur Afrikas vorgestellt und in Kooperationen mit K?nstlerinnen und K?nstlern und Institutionen aktiv weiterentwickelt. Inklusion als ?sthetisches, utopisches Projekt zu verstehen und gemeinsam mit internationalen Partnerinnen und Partnern zu entwickeln steht im Zentrum der vielf?ltigen Aktivit?ten.
Carmen B?hm, Uta Benner und Clemens Dannenbeck (Landshut) zeichneten f?r das Projekt ?Geh?rlos studieren in Bayern - Exploration des Forschungsfeldes aus Sicht inklusionsorientierter Hochschule? verantwortlich. Dabei wurden vierzehn schwerh?rige, geh?rlose und sp?tertaubte Personen sowie Cochlea Implantat Tr?ger*innen in Form qualitativer Interviews befragt, um die spezifische Studiensituation sich als geh?rlos verstehender Studierender in Bayern zu eruieren. Die Ergebnisse der biographisch-narrativen Interviews verweisen dabei deutlich auf einen Zusammenhang zwischen der Geh?rlosigkeit und den Bildungserfahrungen der befragten Personen. Als wesentliche Ergebnisse sind die gr??tenteils erstmalige Auseinandersetzung mit eigenen kommunikativen Bedarfen in h?renden Settings ohne ad?quate Beratungsangebote sowie die Erarbeitung hierzu passender Lern- und Kommunikationsstrategien der Befragten zu nennen. Der organisatorische Mehraufwand, den geh?rlose Studierende bei der Beantragung, Organisation und Finanzierung kommunikativer Hilfen im Studium zu bew?ltigen haben ist ein weiterer Faktor, der die Zielgruppe der vorliegenden Studie auszeichnet. Zudem erleben sich die Befragten als abh?ngig vom Wohlwollen ihrer KommilitonInnen und Dozent*innen, was Unterst?tzung bei der Teilhabe an Lehrveranstaltungen und sozialen Aktivit?ten sowie der Aufbereitung des Lehrstoffes betrifft. Auf Basis der Ergebnisse wurden Informationsmaterialen erarbeitet, die bayerischen Hochschulen und Universit?ten kostenfrei zur Verf?gung gestellt werden und zur Verbesserung kommunikativer Barrierefreiheit f?r h?rbehinderte Studierende beitragen soll.
Markus Paul und Dunja Z?ller entwickeln im Rahmen des Projektes Der Campus-Lotse ein barrierefreies Indoorleitsystem f?r ?ffentliche Geb?ude, das in mehreren Stufen aufeinander aufbaut. Zun?chst wurde und wird ein digitales, smartphone-gest?tztes Leitsystems auf App-Basis konzeptioniert und entwickelt. In einem zweiten Schritt soll das System zu einer Art multimedialen mobilen Geb?udekompass erweitert werden k?nnen. Die installierte Technologie k?nnte sinnvoll mit analogen Elementen eines taktilen Leitsystems f?r Blinde und Sehbehinderte komplettiert werden, um eine Orientierung innerhalb eines Geb?udekomplexes zu erm?glichen. Blinde und sehbehinderte Personen bildeten die Basiszielgruppen des Projektes.
Andrea Benze vom Projekt der Hochschule M?nchen ?St?dtebau und Stadtstruktur? siedelte das Thema im Bereich St?dtebau an. Eine Begeisterung der Studierenden f?r Inklusion und eine nachhaltige Einsicht in die Wichtigkeit dieses Themas war m?glich, indem Inklusion als gesellschaftliches Konzept betrachtet wurde und nicht auf das Erlernen bestehender Regeln f?r barrierefreies Bauen eingegrenzt wurde. Stadt wurde unter dem Aspekt der Inklusion neu gelesen und verstanden mit dem Ziel, Herzst?ck war ein Reallabor, ein Format, in dem Lehrveranstaltungen im St?dtebau im direkten Austausch mit der Stadtentwicklung durchgef?hrt wurden. Seminare zur Recherche und Analyse sowie Entwurfsprojekte zum ?Research by Design? konnten in die Arbeit des Reallabors einbezogen werden. Im zweiten Jahr des Projektes stand zus?tzlich die Planung einer Reihe ?ffentlicher Werkstattgespr?che ?Inklusionsmaschine STADT? sowie die Konzeption einer Publikation der Ergebnisse aus den Werkstattgespr?chen im Mittelpunkt der Aktivit?ten.
Der Verbund hat in der bayerischen Hochschullandschaft die Sensibilisierung f?r den Themenbereich verst?rkt und eine Dynamik angesto?en, die ?ber die aktuell beteiligten Verbundpartner und den angestrebten F?rderzeitraum hinausgreift. Die Herausforderungen, die sich auf dem Weg zu einem barrierefreien Bayern im ?ffentlichen wie im privatwirtschaftlichen Sektor stellen, verlangen nun nach einer breiteren Erschlie?ung in Forschung, Lehre und Wissensvermittlung.
Sandra M?lter, Clemens Dannenbeck (Gastherausgeberschaft)